Vergangenen Donnerstag durfte ich bei der Hörspiel-Premiere von Cornelia Funkes neuster Geschichte, „Drachenreiter – Die Vulkan-Mission“, dabei sein. Zu der gemeinsamen Veranstaltung von Cornelia Funkes eigenem Hörspiel-Verlags Atmende Bücher und der ZEIT wurde in die Uni Hamburg eingeladen. Ein ganzer Hörsaal voller langjähriger, aber vor allem auch junger Fans wartete gespannt, dass der Hauptgast angekündigt wurde. Als Cornelia Funke schließlich auf die Bühne gebeten wurde, gab es tosenden Applaus, der gar nicht aufhören wollte.

Einen Monat vor dem Erscheinen von Funkes erstem Hörspiel durften wir schon einmal ins nächste Abenteuer der Drachenreiter hineinhören – buchstäblich: Mithilfe von mehreren Sprechern, Tontechnikern sowie einer Band bekamen wir ein paar Kapitel der Geschichte um das FREEFAB-Team, der Organisation zum Schutz aller Fabelwesen, zu hören. Und ihre Hilfe ist wirklich vonnöten, denn überall auf der Welt verschwinden Fabelwesen spurlos. Doch dann erhält das Team Informationen, die es übers Meer bis zu einem Vulkan, bis nach Island führen …
Cornelia Funke übernimmt an diesem Abend die Erzähler-Rolle. Aber auch auf dem tatsächlichen Hörspiel ist sie zu hören: als Winnifred. Warum gerade diese Figur, wird gefragt. Antwort: Weil es keine ihrer eigenen Figuren ist. Das Hörspiel entstand aus einer Zusammenarbeit mit David Fowler: Winni ist seine Figur und dazu noch keine Hauptfigur. Funke wollte nicht im Mittelpunkt des Ganzen stehen. Außerdem passe Winni so gut zu ihr: Genau wie Funke selbst (und auch ihr Sohn, wie sie verrät) ist Winni eine Dramaqueen.
Die Band The German Wahnsinn Team begleitete die Veranstaltung mit extra für das Hörspiel komponierten Liedern.
Auch für Cornelia Funke ist Musik ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Musik sei die größte Kunst auf Erden – mehr noch als Schreiben. Musik könne Dinge ausdrücken, Ebenen erreichen, die nicht in Worten zu beschreiben sind. Sie selbst spiele zwar kein Instrument, singe aber sehr gern. Gesagt, getan. Auf Wunsch eines ihrer jüngsten Fans gibt die Bestseller-Autorin ihr Können zum Besten.
Die Entstehung des Hörspiels
Für ihr erstes Hörspiel gründete Funke ihren eigenen Hörspiel-Verlag, Atmende Bücher, mit Sitz in ihrer alten Heimat Hamburg. Die Idee für die Fortsetzung ihrer Erfolgsserie „Drachenreiter“ entstand jedoch schon viel früher: durch die Zusammenarbeit von Funke mit dem kanadischen Drehbuchautor David Fowler. Durch Fowlers Know-how bekam die Geschichte die Struktur eines Drehbuchs, ein Umstand, der die Adaption zu einem Hörspiel Jahre später definitiv vereinfachte.
Und doch war es für die Bestsellerautorin ein ganz anderes Arbeiten als für ihre sonstigen Romane: Zum einen muss sie ihre Geschichte zum größten Teil mithilfe von Dialogen vermitteln, zum anderen ist es kein einsames Vor-sich-hin-Tüfteln, sondern eine Kooperation von den unterschiedlichsten Menschen. Was Töne und Musik angeht, die später im Hörspiel zu vernehmen sein sollen, hat sich die Autorin ganz auf andere verlassen: „Ich weiß, dass ich mit guten Leuten arbeite. [Tontechnik] ist ihr Handwerk, nicht meins, die wissen das vermutlich besser.“
Sie hat es sich aber nicht nehmen lassen, bereits hier und da im Manuskript ein paar Angaben einzustreuen: „Drachenbrüllen. Wie auch immer das klingt. Ich dachte, damit werden die Jungs ihren Spaß haben. Und sie haben dann noch einen drauf gelegt“, erzählt sie zufrieden und zeigt dankbar zu dem Mischpult hinter den Zuschauern, von wo aus auch an diesem Abend die Geräusche für das Hörspiel eingespielt werden.

Hinter dem Neunzig-Minuten-Hörspiel verbirgt sich so einiges an Arbeit: Allein dreißig Stunden aufgenommener Sprechertext. Dazu noch circa zehn Tage Schnitt, plus das Aufnehmen von Geräuschen, die teilweise gekauft, teilweise in der Hamburger Umgebung eingefangen wurden. Und zuletzt auch das Komponieren von Liedern, deren Texte ebenfalls aus Funkes Feder stammen.
Und warum hat sich die Autorin dieses Mal für das Medium Hörspiel entschieden? Sie wollte etwas für die Kinder erschaffen, die Geschichten lieber hören, als lesen, und die vielleicht etwas „Angst“ vor zu dicken Büchern haben.
Wunderbar sympathisch und interessiert: Geduldig beantwortet Funke die vielen Fragen ihrer Fans.
Die Kleinen waren am vergangenen Donnerstag die ganz Großen. Die vielen Kinder, die begeistert der Hörspiel-Premiere gelauscht haben, durften der Autorin zum Schluss auch noch all ihre Fragen stellen. Beim Antworten sieht man der Bestsellerautorin aus Malibu an, wie viel Spaß ihr der Kontakt zu ihren Fans, besonders auch den kleinsten unter ihnen, macht. Ihr Kommentar, als sie die langen Schlangen an den Mikrophonen sieht: „Ich wusste, ihr lasst mich nicht hängen.“
Woher nimmt sie ihre Inspiration? „Ich höre ständig Geschichten in meinem Kopf“, erklärt sie. Sie könne sich jederzeit hinsetzen und drei weitere Geschichten niederschreiben. Zu jeder gegeben Zeit arbeite sie an mehreren Projekten gleichzeitig. So sind zurzeit z. B. neben mehreren Kurzgeschichten und weiteren Hörspielen gleich drei große Fortsetzungen in der Mache: ein weiterer Drachenreiter-Roman, der vierte Band der Reckless-Reihe sowie eine Fortsetzung der Tintenwelt-Reihe, die fünf Jahre nach Tintentod spielen wird. Besonders letzteres ließ anwesende Fan-Herzen höher schlagen. Ein wenig gedulden müssen wir uns aber noch: Sie habe zwar bereits um die 160 Seiten geschrieben, „Die Farbe der Rache“ werde dennoch voraussichtlich erst 2019 erscheinen. Sie wolle sich für den Roman-Liebling genug Zeit lassen, um den Fan-Erwartungen gerecht zu werden. Aber Leser dürften sich jetzt schon auf ein Wiedersehen mit alten Bekannten freuen.
Warum schreibt sie? „Du lebst dauernd ein neues Leben. Heute habe ich Flügel, morgen bin ich ein Wal.“
Mit welcher Figur kann sie sich am besten identifizieren? Fuchs (Reckless)
Welche Figur ist ihre Lieblingsfigur? Fliegenbein (Drachenreiter)
Was ist ihre Lieblingsband? The National
Welches ihrer Bücher ist ihr Lieblingsbuch? Das kann sie gar nicht sagen, das wäre, als müsste sie sagen, welches ihrer Kinder ihr liebstes wäre. Ihre Romane seien alles ihre gedruckten Kinder, die sie aus unterschiedlichen Gründen toll finde.
Was ist ihr Lieblingsbuch aus der Kindheit? Narnia und Tom Sawyer; überhaupt Abenteuerbücher, sogenannte „Jungsbücher“; früher lieh sie sich ganze Stapel Bücher aus der Stadtbücherei aus, um durch die gedruckten „Fenster“ ihrer langweiligen Heimatstadt zu entkommen.
Wie schreibt sie ihre Romane? Seinem Gedächtnis dürfe man nicht trauen, sagt sie. Das sei gefährlich; Ideen würden nicht lange im Gedächtnis haften bleiben, deshalb müsse man immer alles gleich aufschreiben, selbst, wenn man dafür auf seinen Arm schreiben muss. Und da Ideen immer zur falschen Zeit kämen, trage sie immer ein Notizbuch mit sich herum. Überhaupt schreibt sie zuerst immer in ein Notizbuch, per Hand. Die Geschichte kommt auf die rechte Seite, die linke bleibt leer für spätere Notizen und Ideen sowie Skizzen.
Warum ist sie Autorin geworden? Sie war zuerst Illustratorin, fand aber irgendwann ihre Aufträge zu langweilig. „Ich wollte Drachen zeichnen und Meerjungfrauen malen. Dann muss ich wohl selbst ein Buch schreiben, hab ich mir gedacht. Anfangs habe ich nur Romane geschrieben, um diese illustrieren zu können. Dann habe ich gemerkt, dass ich ganz gut darin bin. Und so hatte ich auf einmal einen zweiten Beruf.“
Wann hat sie ihr erstes Buch geschrieben? „Ich war steinalt. Kannst du dir vorstellen, 28 Jahre alt zu sein?“
Wie lange schreibt sie an einem Buch? Ganz unterschiedlich. An einem Bilderbuch: drei Stunden – wenn die Ideen fließen; an Reckless: zwei Stunden; an einem Wilde-Hühner-Roman: drei bis vier Monate; an einem Drachenreiter-Roman: ein Jahr …
Wie ist die Wilde-Hühner-Reihe entstanden? Ihre Lektorin bat sie, einmal ein Buch ohne Feen oder andere Fabelwesen zu schreiben. Also packte Funke alle möglichen Personen und Kinder aus dem eigenem Leben sowie die Hühner, die sie selbst einmal gehalten hat, in ein Buch: Die Geburtsstunde der Wilden Hühner, die jetzt gerade zum ersten Mal in Amerika erscheinen. Auf Englisch: The Wild Chicks. Funke meint, es sei interessant zu beobachten, wie amerikanische Kinder darauf reagieren, wie deutsche Kinder leben, und erinnert sich an einen deutschen Vater eines Fans, der sich bei ihr bedankte, weil er wegen ihrer Romane einen Hühnerstall in seinem Garten bauen durfte.
Warum schreibt sie keine weiteren Wilden-Hühner-Bücher? Für sie muss eine Bücherreihe nicht immer weitergehen. Wenn ein Projekt zu Ende gehe, weine sie ihm keine Träne hinterher, viel eher sagt sie: „Hurra, und auf zum nächsten!“ Gleichzeitig fordert sie die jungen Leser auf: „Aber ihr könnt noch tausend Hühner-Bücher schreiben!“

Ein Aufruf zum Schreiben: Der Stab wird weitergereicht.
„Die Welt ist voller Geschichten“, erzählt Funke ihren jüngsten Zuhörern. Ein Aufruf an die nächste Generation Autorinnen und Autoren. Sie selbst mache nichts lieber, als zu schreiben … außer vielleicht Schokolade essen.

Ein großer Dank an Lütte Lotte
Es war ein gelungener Nachmittag. Nach der tollen Veranstaltung nahm sich Cornelia Funke noch die Zeit, Autogramme zu geben und ihre Fans kennenzulernen. Ich verdanke meine Eintrittskarte einem Gewinnspiel des Blogs Lütte Lotte. Ohne sie hätte ich gar nicht mitbekommen, dass mein Schreib-Idol in Deutschland war. Vielen, vielen Dank.
Und als i-Tüpfelchen: Später am Abend setzte sich Cornelia Funke in den Restaurant, in dem ich noch mit Freunden saß, an den Nebentisch. Bevor sie ging, habe ich noch schnell um ein Foto bitten können. Ein perfekter Abschluss zu einem tollen Tag!
Ein Kommentar zu „Cornelia Funke zu Besuch in der Hansestadt: Hörspiel-Premiere von „Drachenreiter – Die Vulkan-Mission““