Julika, Katinka, Levin, Jako und James – wer jetzt denkt Moment mal, die Namen kenne ich doch, der hat ganz recht. Mit „Me, without Words“ (ein Ink-Rebel-Buch) geht die „Stay Tuned“-Reihe von Kira Minttu in die zweite Runde. In der Fortsetzung von „Keep on Dreaming“ wendet sich die Autorin Julika zu, Katinkas bester Freundin.
Während ihre Freundin auf rosaroten Wolken schwebt, muss sich Julika mit einem ganz anderen Problem befassen: Ihre Eltern schweigen sich nur noch an … und dann haben sie sich plötzlich – für Julis Geschmack – viel zu viel zu sagen.
Und während es für sie immer schwieriger wird, die dicke Luft zu Hause zu ignorieren, beginnt es auch in ihrer Beziehung zu ihrem Freund Levin zu kriseln. Da trifft sie Marc –und aus einer harmlosen Begegnung am See wird eine ungewollte Verstrickung von Geheimnissen, die Juli nicht nur ihre Beziehung zu Levin, sondern auch zu Katinka und ihren Eltern kosten könnte.
Gelungener Perspektivwechsel dank starker Figuren
Kira Minttu gelingt es, aus Nebenfiguren Protagonisten zu machen – und andersrum die vorherige Sympathiefigur gerade so weit auftauchen zu lassen, dass Fans der Reihe erfahren, wie es Katinka nach „Keep on Dreaming“ ergeht, ohne sie dabei aus der neuen (Neben-)Rolle der besten Freundin herauszuheben. Auch wenn ich persönlich liebend gern mehr Szenen über Katinka und Jako und die restliche Clique gelesen hätte, verstehe ich, dass die Isolation Julis von ihrem vertrauten Umfeld ein wichtiger Aspekt der Geschichte ist.
So sehr man sich in „Keep on Dreaming“ in Katinka verliebt hat, so wichtig ist es, Juli als separate, eigenständige Protagonistin zu erleben. Sie ist schlagfertig und selbstständig – was leider dazu führt, dass sie ihren Freunden nicht immer ihre Ängste und Zweifel zeigen kann.
Atmosphäre vom ersten Satz an
Der Roman beginnt mit einer alltäglichen Situation: Abendessen mit der Familie. Doch Kira Minttus Darstellung dieser scheinbar banalen Tätigkeit mit eingeschobenen Erinnerungen an eine bessere Zeit ist ein gelungener Einstieg in den Roman und ein grandios umgesetzter erster Einblick in die Dynamik von Julis Familie.
Allein in dieser Szene wird ganz klar deutlich: Zwischen Julikas Eltern ist ganz und gar nicht alles in Ordnung. Und das kriegt auch die einzige Tochter zu spüren.
„Me, without Words“ ließ mich nicht los
Kira Minttu schafft es in scheinbar einfachen Szenen eine ganze Fülle an Nuancen einzubauen. Aber gerade diese unaufdringlichen Momente zwischen Eltern und Tochter, zwischen Freund und Freundin lässt die Handlung authentisch wirken. Das atmosphärische Schreiben hat mich als Leser derart in die Geschichte gezogen, dass jedes Schaben eines zurückgeschobenen Stuhls und jeder vorwurfsvolle Blick mich bis ins Mark getroffen hat.
Der Plot selbst mag einfach genug klingen: zerrüttetes Elternhaus, ein Mädchen, dass sich mit ihren Freunden zerwirft und sich deshalb auf einen fremden, älteren Jungen einlässt … Das Rad hat Minttu tatsächlich nicht neu erfunden, weswegen ich ihr in dieser Kategorie auch nicht die volle Punktzahl geben kann.
Ihre Stärke liegt dafür in der Beschreibung der kleinen zwischenmenschlichen Interaktionen, die den manchmal doch etwas vorhersehbaren Plot in etwas Ergreifendes verwandelt. Ungekünstelt wirkende Dialoge und eine originelle Verbildlichung der emotionalen Auswirkungen auf die Charaktere tun ihr Übriges, um mich für dieses Buch zu begeistern.
Unterschiedlich starke Handlungsstränge – aber ein rundes Ganzes
Warum verweile ich so lange beim Handlungsstrang der Eltern? Für mich ist es der stärkste Aspekt der Geschichte. Die Ehekrise der Eltern ist ein wichtiger Auslöser für die weitere Handlung. Danach entwickelt sich die Geschichte vermehrt in Richtung Marc und dessen Geheimnisse – und lässt dabei meiner Meinung nach etwas nach. (Aber ich bin auch voreingenommen – Team Levin all the way!)
Die Figuren der Eltern sind anders als in anderen Jugendbüchern vielschichtig und haben Charakter; sie sind Menschen, Partner, auch außerhalb ihrer Rollen als Elternteil. Die Auswirkungen einer fehlgeschlagenen Ehe werden von Kira Minttu mit viel Feingefühl dargestellt.
Gleichzeitig bietet ihre Ehe eine Parallele zu Julis eigenen sowohl romantischen als auch freundschaftlichen Beziehungen. Mit ihren Freunden ist Juli zu Beginn des Romans auf gutem Fuß.
Doch mit jedem Streit der Eltern, fühlt sich Julika immer weniger von ihren Freunden verstanden. Mit ihnen kann sie nicht über ihre Ängste sprechen, mit Marc hingegen schon, der selbst aus ähnlichen Familienverhältnissen kommt. Mit der Zeit fühlt sie immer mehr die selbst auferlegte Distanz zwischen sich und ihren Freunden. Als die Dinge um Marc schließlich ernster und verzwickter werden, hat Juli schon niemanden mehr, an den sie sich wenden kann.
Fazit
Ich bin ein großer Fan der Ink-Rebel-Bücher; und auch „Me, without Words“ hat mich nicht enttäuscht. Auch wenn ich mir für den Plot manchmal etwas mehr gewünscht hätte, überzeugt Minttus Schreibstil auf jeder Seite, jeder Zeile. Das allein ist Grund genug für mich, weiterhin alles zu lesen, was sie uns schenkt. Um mir ihre schönen schriftlichen Leckerbissen auf der Zunge zergehen zu lassen, sie zu genießen, fasziniert aufzuschauen, „Wow“ und „Genial“ zu murmeln … und nach dem letzten Wort „Zugabe!“ zu rufen.
P.S. Ostereiersuche – auch nach Ostern
Für alle Leser, die genauso Ink Rebel fanatisch sind wie ich: Kira Minttu hat einer anderen Ink Rebellin für deren Roman einen ihrer zweifelhaften Charaktere von „Me, without Words“ ausgeliehen. Findet ihr ihn? Was für eine tolle Idee! Mehr, bitte!
Plot:
Charaktere:
Schreibstil: