Ich bin eine 27-jährige Frau ohne Doktortitel – viel mehr könnte ich mich gar nicht von der Zielgruppe des konservativen Traditionsverlags mare unterscheiden. Und doch war ich mehr als interessiert an dem, was Gründer und Verleger Nikolaus Gelpke über seinen Verlag zu erzählen hatte, als die Jungen Verlagsmenschen am 4. April zu einem Besuch beim mare Verlag in der Hafencity in Hamburg einluden. Und ich wurde nicht enttäuscht.
Auf der mare-Website steht über das Programm:
[…] ausgerichtet auf die Weite des Meeres im konkreten wie im übertragenen Sinn, reicht das Spektrum des marebuchverlags von Abenteuer und Entdeckung über populäre Wissenschaft und Kulturgeschichte bis hin zur Belletristik.
Nikolaus Gelpke und Vertrieblerin Maria Leucht führten uns durch einen interessanten, aufschlussreichen Abend und boten Einblicke in die Geschichte des Verlags sowie in die Beweggründe für das heutige Buchprogramm.
Alles begann mit der Sehnsucht nach dem Meer
In der Schweiz geboren, aber mit Familie in Italien, fühlte Verleger Nikolaus Gelpke schon früh eine Affinität zur See. Der Bezug zum Meer war bei der Gründung der mare Zeitschrift daher ein unbedingtes Muss. Den Erfolg der Zeitschrift führt Gelpke bis heute auf pures Glück zurück – und darauf, dass er ursprünglich nicht aus der (Buch-)Branche kam. Er dachte und machte vieles anders, suchte andere Wege, sein Projekt zu verwirklichen. Mit Erfolg.
So spezialisierte er sich zum Beispiel entgegen der gängigen Art auf eine kleine Zielgruppe: männlich, im fortgeschrittenen Alter, promoviert. Laut Verlag besteht die Leserschaft zu ca. 70 Prozent aus Männern; jeder vierte Leser ist promoviert. Diesem Konzept blieben sie später auch beim Buchverlag treu.
Das Konzept bietet Freiheit
Da mare sich dank der Spezialisierung nicht gegen Mitbewerber auf dem Buchmarkt beweisen muss, kann sich der Verlag auf ein kleines Programm konzentrieren. Anders als in anderen Publikumsverlagen beschränkt man sich hier pro Jahr nur auf wenige Neuerscheinungen: Das Herbstprogramm hat dieses Jahr beispielsweise nur sieben Titel.
Die Freiheit, keine vorgegebene Anzahl an Titeln herausbringen zu müssen, nehme man sich, um auch wirklich nur das zu veröffentlichen, woran das Herz hängt und an das man glaubt. Man setze auf inhaltliche Qualität, die aber auch haptisch vermittelt werden soll.
Der Inhalt gibt den Ton an – auch was das Äußere betrifft
Auch bei der äußeren Erscheinung der Bücher geht man hier seinen eigenen Weg. Wo andere Verlage auf ein einheitliches Äußeres setzen (Wiedererkennungsmerkmal), entscheidet bei mare der Inhalt eines Buches über sein Äußeres. Der Inhalt gebe ein Gefühl vor, das sich in Papier, Typografie, Umschlagpapier etc. widerspiegele, so der Verleger.
Durch diese individuelle Umsetzung entsteht ein Gesamtkunstwerk, das stofflich und optisch dem Inhalt des Romans entspreche. Dieses Maß an Detailverliebtheit wäre nur durch den kleinen Umfang des Programms möglich – man kann sich voll und ganz auf die wenigen Titel konzentrieren. Dabei weigert man sich, den Blick zur Konkurrenz schweifen zu lassen – man wolle nicht auf den Zug des Opportunismus’ aufspringen. Nur weil ein Thema bei einem anderen Verlag funktioniert, müsse man es nicht auch bei mare einführen. Das gehe allein schon durch die Einbindung des maritimen Themas nicht.
Das Meer: das „Mehr“ an mare
Die Festlegung auf ein Thema (= Meer) hat Vor- und Nachteile, gibt der Verleger zu. Zum einen hat man eine Marschrichtung, sodass man ziemlich schnell weiß, ob ein Thema ins Programm passt oder nicht. Leider ist es so auch fast nicht möglich, Autoren an sich zu binden, da kaum ein Autor zweimal über das Thema Meer schreibt. Was aber auch nicht allzu schlimm sei, da der mare Verlag sich über die Individualität der einzelnen Bücher freue. So gibt es bei jedem Buch etwas Neues zu entdecken.
Qualität hat seinen Preis – und das wissen die Leser auch
Wer ein schnelles, günstiges Lesevergnügen sucht, wird bei mare eher nicht fündig werden. Eine Neuauflage eines Klassikers – wunderbar verarbeitet mit Leinen-Cover und Schuber – kostet gerne schon mal 35 Euro und aufwärts.
Und auch hier gilt: Der Preis führt vielleicht dazu, dass die Umsatzzahlen nicht unbedingt hoch sind, aber dafür ist die kleine mare-Zielgruppe (siehe oben) gerne bereit, Geld in solche „Schmuckstücke“ zu investieren.
Die teure Aufmachung hilft in diesem Fall. Die Begründung, warum das Buch mehr kostet, halten die Kunden ja buchstäblich in der Hand. Anders als bei anderen Veröffentlichungen, bei denen allein der Inhalt einen höheren Preis erfordert, erkennt der Leser bei mare-Büchern dank des aufwendigen Äußeren den „Meer“-Wert.
Wer bestimmt, was veröffentlicht wird?
Bei dieser Frage gibt Herr Gelpke eine klare Antwort: die Programmleitung. Und kein anderer.
„Jeder glaubt, zu wissen, was ein gutes Buch ist.“
Während man den Experten im Vertrieb oder Marketing ihr Wissen nie streitig macht, scheint jeder zu glauben, beim Thema Geschichten und was sie gut oder schlecht macht mitreden zu können. „Aber guter Geschmack ist kein Zufall“, so Gelpke. Seine Angestellten stelle er ein, weil sie die Besten in ihrem Bereich sind. Sie sind die Experten. Kein anderer sollte dort versuchen, mitzumischen. Es käme sonst zu einer „Korruption des Inhalts“, wenn die Entscheidung, was publiziert wird, durch den Input der PR- und der Vertrieb-Abteilung beeinflusst werden würde.
Daher: ganz klare Arbeitsteilung. Die Programmleitung ist für das Programm zuständig. Dabei wird darauf hingearbeitet, dass ein schönes Gesamtbild entsteht; auch hier hilft es, dass die Menge der Programmtitel nicht vorgegeben ist – wenn ein Titel nicht in dieses Gesamtbild passt, wird er problemlos aufs nächste Jahr verlegt.

Ein „Verlag mit Profil“: mare setzt beim Vertrieb auf ein Treueversprechen
Vertrieblerin Maria Leucht setzt wie ihr Verleger auf ein kleines Programm. Es sei langfristig gesehen die Stärke des Verlages. Ihrer Meinung nach kann man so sowohl dem Endkunden als auch den Buchhandlungen ein Treueversprechen geben. Die wissen: Alle Titel, die erscheinen, sind ein wichtiger Bestandteil des Programms – jeder wurde von der Programmleitung aus einem bestimmten Grund ausgewählt –, und keiner geht in einem Meer von Neuerscheinungen unter. Und bei allen kann der Buchmarkt darauf vertrauen, dass mare für sie mit seinem guten Namen steht.
„Wir haben noch nie ein Buch herausgebracht, um jemandem einen Gefallen zu tun“, wird uns versichert. „Wir müssen unseren [eigenen] Werten vertrauen.“
Neben dem Treueversprechen ist der persönliche Kontakt mit den Buchhandlungen besonders wichtig, da die Platzierung der mare-Bücher im Buchhandel-Sortiment vor allem über gute Vernetzung funktioniert. Eine feste Ansprechpartnerin, kaum Fluktuation und kleine Nettigkeiten wie per Hand geschriebene Karten zur Weihnachtszeit gehören daher bei mare zum guten Ton.
mare in der modernen Zeit der E-Books
In der Zeit vom Kindle & Co muss sich inzwischen jeder Verlag fragen, wie er zu E-Books steht. mare selbst bietet seine Bücher erst seit kurzem in elektronischer Form an. Die Taschenbuch-Lizenzen werden weiterhin an andere Verlage verkauft. Doch auch wenn die E-Book-Verkäufe die Hardcover-Verkäufe beeinflussen, machen E-Books dennoch gerade einmal zehn Prozent des Umsatzes aus. Und auch in ihrer Anzahl machen sie bei mare den Hardcovers keine Konkurrenz: Bei ca. 310 lieferbaren Titeln (was im Vergleich zu anderen Verlagen nicht viel ist; auch hier spiegelt sich die kleine jährliche Menge an Titeln wider) bietet mare gerade einmal 19 ihrer Titel als E-Book an.
Diese Tendenz (in der gesamten deutschen Buchbranche) wird sich wohl auch in der Zukunft nicht ändern, so Gelpke. Der Erfolg der E-Books in den USA spiegelt seiner Meinung nach das Leseverhalten der Amerikaner wider. Diese hätten nie viel Wert auf eine schöne Darstellung des geschriebenen Wortes gelegt – sie wollen einfach nur den Inhalt weitergeben, die Verpackung ist dabei nur nebensächlich. Deutschland hingegen hat die Tradition, schöne Bücher herzustellen. Das E-Book kann da nicht mithalten. Und so, glaubt Gelpke, wird es auch bleiben.

Fazit
Herr Gelpke mag den Erfolg von mare auf Glück zurückführen; das Gespräch zeigte mir jedoch deutlich, dass er darauf basiert, dass die Marke mare von allen Abteilungen gepflegt wird. Alle spielen dem großen Ganzen zu: das kleine Individuelle pflegen, auf Qualität setzen und dabei vor allem authentisch bleiben.
Inzwischen waren zwei Stunden vergangen, die Sonne war untergegangen, das Interesse aber geblieben. Letzte Fragen wurden beantwortet und viele schöne neue Eindrücke mit nach Hause genommen. Und wenn ich so in unsere Runde schaue – mit einer Ausnahme alles Frauen, alle deutlich unter dem Durchschnittsalter der mare-Zielgruppe und (soweit ich weiß) keiner promoviert –, scheinen wir an diesem Abend die Statistik der Zielgruppe ein wenig aus dem Ruder gebracht zu haben.
Der Abend bei mare war ein durch und durch angenehmer. Da kann ich Herrn Gelpke sogar verzeihen, dass er selbst (nach eigener Aussage) nichts mit Bloggern anfangen kann.
*Postkarten-Aktion*
Im vergangenen Jahr hat Verleger Gelpke an die 700 Weihnachtskarten an Kunden, Dienstleister und Partner gesendet. Alle per Hand geschrieben und adressiert. Eine Aufmerksamkeit, die ihm sehr wichtig ist. In der heutigen Zeit der schnellen Kommunikation sind solche kleinen Gesten gern gesehen.
Der persönliche Touch ist unglaublich wichtig.
Daher würde ich die „Tradition“ der kleinen postalischen Freude hier gerne aufgreifen. Der mare Verlag war so freundlich, mir 14 Postkarten zur Verfügung zu stellen – jede zeigt eines der schönen Cover des Frühlingsprogramms 2017.
Hättest du gerne eine der Karten mit einem kleinen Gruß von mir?
Dann musst du mir lediglich eine kurze Nachricht zukommen lassen (entweder direkt hier über das Kontaktformular, per Facebook, per Mail an rabea.guettler@web.de, per Brieftaube oder per Eule – nur Gedankenübertragung funktioniert zurzeit leider nicht). Wichtig: Vergiss nicht, mir dabei deine Adresse zu nennen!
Die ersten 14 Leute, die sich bei mir melden, dürfen sich dann bei einem der nächsten Gänge zum Briefkasten über einen kleinen Gruß freuen.
Ein Kommentar zu „*Postkarten-Aktion*: Warum mich der Besuch beim mare Verlag überzeugt hat, auch wenn ich kein 60-jähriger, promovierter Mann bin“